"To be a teacher is my greatest work of art" Joseph
Beuys und seine Schüler im Kunstmuseum Ahlen
Epigonen?
Nein danke! Als Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie prägte Joseph
Beuys zwar eine ganze Künstlergeneration. Doch er ermutigte seine
Studenten stets, ihren eigenen Weg zu gehen. Die Ausstellung "To be a
teacher is my greatest work of art" präsentiert jetzt 150 Arbeiten von
Beuys und seinen bedeutendsten Schülern aus der Sammlung Deutsche Bank. Achim
Drucks stellt die Schau im Kunstmuseum Ahlen vor.
 Joseph
Beuys, Für Blinky, o.J., © VG Bild – Kunst, Bonn 2008, Sammlung
Deutsche Bank
Demütig wäscht Joseph
Beuys seinen Schülern die Füße, atonale Musik tönt durch das Atelier,
ein junger Mann überschüttet sich mit Mehlwürmern, Studenten diskutieren
ihre Arbeiten: Hans Emmerlings Film Joseph Beuys und seine Klasse
dokumentiert nicht nur Unterricht und Aktionen an der Düsseldorfer
Kunstakademie. Die 1971 entstandene Produktion ermöglicht auch die
Reise in eine Zeit der Umbrüche, die auch von Beuys' künstlerischen wie
politischen Aktionen mitgeprägt wurde. "Regiert euch selbst" steht auf dem
Flugblatt, das er zusammen mit Johannes
Stüttgen vor einer Kaufhof-Filiale verteilt. Der Professor mit
dem obligatorischen Hut und sein kalkweiß geschminkter Schüler diskutieren
engagiert mit Passanten über politische Veränderungen. "Mehr Demokratie
wagen" lautet schließlich auch das Motto der sozial-liberalen Koalition
unter Willy
Brandt, die seit 1969 die Bundesrepublik reformiert. Im Zuge von
Studentenbewegung und APO verlässt die Kunst ihren Elfenbeinturm und kommt
in der Einkaufsstraße an.
 Peter
Angermann, Ohne Titel (Joseph
Beuys), aus "Tapeten", 1983, Sammlung
Deutsche Bank
Zu sehen ist die
faszinierende Dokumentation im Rahmen der Ausstellung To
be a teacher is my greatest work of art. Das Kunstmuseum
Ahlen präsentiert 150 Papierarbeiten aus der Sammlung
Deutsche Bank. Kurator Friedhelm
Hütte, Direktor der Deutsche Bank Kunst, stellt zahlreichen
Beuys-Arbeiten Werke seiner bedeutendsten Schüler gegenüber: Zeichnungen,
Fotografien und Druckgrafik von Walter
Dahn, Felix Droese, Jörg
Immendorff, Anselm
Kiefer, Imi
Knoebel, Blinky
Palermo oder Katharina
Sieverding zeigen Beuys' künstlerischen und persönlichen Einfluss
sowie die Wechselwirkungen des intensiven Dialogs zwischen dem Professor
und seinen Studenten.
 Imi
Knoebel, Ohne Titel, 1968/72, © VG Bild – Kunst, Bonn 2008, Sammlung
Deutsche Bank
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Manchmal genügte schon ein Zeitungsbericht, um angehende
Künstler zu bewegen, nach Düsseldorf zu kommen. Bei einer Aktion wurde
Beuys geschlagen, mit blutiger Nase streckte er dem Publikum ein Kruzifix
entgegen. Das Foto dieses Künstler-Messias, der selbst körperliche
Attacken spontan in seine Aktionen mit einbezog, wurde in vielen Zeitungen
abgedruckt. "Er war trotz seines Alters offen, rebellisch, hat Dinge in
Frage gestellt, die andere seiner Generation wortlos hinnahmen. Deswegen
hat uns auch der Zeitungsartikel so beeindruckt. Wir brauchten jemanden,
der auch auf der Suche war wie wir. Wir suchten nach dem Extremen",
erklärte Imi Knoebel in einem Interview. Knoebel und sein Freund Rainer
(Imi) Giese brachen ihr Studium an der Werkkunstschule
Darmstadt ab, um 1965 nach Düsseldorf zu gehen. Für sie war die Person
Beuys dabei weitaus wichtiger als sein Werk.
 Blinky
Palermo, Ohne Titel, aus "Wandzeichnungen", 1968, © VG Bild – Kunst, Bonn
2008, Sammlung Deutsche Bank
Obwohl
ihre vom russischen Konstruktivismus geprägten Arbeiten in diametralem
Gegensatz zu seiner eigenen Position standen, nahm Beuys die beiden in
seine Klasse auf. "Beuys hatte zu unseren Sachen keinen Zugang. Er konnte
aber zulassen, dass völlig andere Dinge entstehen." Er stellte ihnen sogar
einen der drei Klassenräume zur Verfügung, in dem anfangs auch Blinky
Palermo gearbeitet hat. Der Meisterschüler von Beuys ist in Ahlen mit
einer Serie vertreten, die Entwürfe zu Wandzeichnungen zeigt – schlichte
Geraden in geometrischer Anordnung. Die beiden Imis setzen sich in ihren
Fotoserien ebenfalls mit dem Thema Abstraktion auseinander: Knoebel hält
seine Projektionen fest – reduzierte Formen aus Licht, die er an
nächtliche Hausfassaden warf. Bei Giese formieren sich leuchtende Ziffern
zu Linien. Welten liegen zwischen diesen kühlen Formexperimenten der drei
Minimalisten und der biomorphen Bildsprache von Beuys.
 Joseph
Beuys, Mädchen (Rücken), 1957, © VG Bild – Kunst, Bonn 2008, Sammlung
Deutsche Bank
Das stellte für den Professor
kein Problem dar. Im Gegenteil: Es war Beuys erklärtes Ziel, seine
Studenten dabei zu unterstützen, ihren individuellen Weg zu finden. "Ich
habe mich auch gar nicht bemüht, den Menschen etwas aufzudrücken, was etwa
meine Idee von der Kunst gewesen ist oder ist. Sondern ich habe immer nach
den Möglichkeiten gesucht, die jeder einzelne hat", erklärte er 1984. Als
der Professor für Bildhauerei 1961 zu unterrichten begann, lagen die
Schwerpunkte noch ganz konventionell auf Aktzeichnung und plastischem
Gestalten mit Holz, Ton oder Gips. Parallel zur Konkretisierung seiner "plastischen
Theorie". Mitte der Sechziger Jahre wurden diese traditionellen
Unterrichtsformen dann von diskursiven Auseinandersetzungen in den
Hintergrund gedrängt. Während der "Ringgespräche" diskutierte man
künstlerische wie gesellschaftliche Fragen. Die Erweiterung des
Kunstbegriffs führte auch zur Arbeit mit neuen Materialien wie Fett, Filz
oder Fundstücken sowie zu Beuys Konzept der "Sozialen
Plastik". Dabei ging ihm nicht mehr nur um materielle Kunstwerke,
sondern um seine Utopie von einer Gesellschaft, in der jeder seine
Kreativität frei entfalten kann.
 Joseph
Beuys, Filzplastik-Bronzeplastik, 1964, © VG Bild – Kunst, Bonn 2008, Sammlung
Deutsche Bank
Die Bedeutung von Kunst für die
Gesellschaft, die Beuys immer wieder betonte, spiegelt sich auch in der
Entstehung der Sammlung Deutsche Bank Ende der siebziger Jahre. Beuys
berühmte Formel "Kunst=Kapital" galt auch hier. Aber eben nicht in dem
Sinne, dass Kunst als dekorative Wertanlage für die Vorstandsetagen
betrachtet wurde. Unter dem Motto "Kunst am Arbeitsplatz" ging es vielmehr
darum, die unmittelbare Begegnung mit zeitgenössischen Positionen
außerhalb etablierter Institutionen wie Museen oder Galerien zu
ermöglichen. Kunst sollte als kulturelles Kapital allen Mitarbeitern,
Besuchern und der Öffentlichkeit zu Gute kommen. Die große Bedeutung von
Beuys für die Sammlung demonstrierte auch die Widmung der obersten Etage
eines der Frankfurter Zwillingstürme an den Künstler. Seine Zeichnungen
standen dabei im Mittelpunkt des Interesses. Dieses Medium ist für die
Sammlung wie für Beuys von zentraler Bedeutung. So betrachtete er die
Zeichnung als "Verlängerung des Gedankens", da sie kreative Prozesse ganz
unmittelbar spiegelt.
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