Ayse Erkmen at the Pavilion of Turkey, 54th Biennale di Venezia. Photo Roman Mensing / artdoc.de. Courtesy Galerie Barbara Weiss, Berlin and Rampa Istanbul
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Ayse Erkmen, Plan B, 2011. Installation at the Pavilion of Turkey, 54th Biennale di Venezia. Water purification units with extended pipes and cables. Photo Roman Mensing / artdoc.de. Courtesy Galerie Barbara Weiss, Berlin and Rampa Istanbul
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Ayse Erkmen, 2001, Shipped Ships. Deutsche Bank AG art series: Moment. Photo Bärbel Högner. Courtesy Ayse Erkmen / Galerie Barbara Weiss, Berlin
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Ayse Erkmen, 2001, Shipped Ships. Deutsche Bank AG art series: Moment. Photo Bärbel Högner. Courtesy Ayse Erkmen / Galerie Barbara Weiss, Berlin
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Ayse Erkmen, 2001, Shipped Ships. Deutsche Bank AG art series: Moment. Photo Bärbel Högner. Courtesy Ayse Erkmen / Galerie Barbara Weiss, Berlin
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Ayse Erkmen, Plan B, 2011. Installation at the Pavilion of Turkey, 54th Biennale di Venezia. Photo Roman Mensing / artdoc.de. Courtesy Galerie Barbara Weiss, Berlin and Rampa Istanbul
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Ayse Erkmen, Plan B, 2011. Installation at the Pavilion of Turkey, 54th Biennale di Venezia. Photo Roman Mensing / artdoc.de. Courtesy Galerie Barbara Weiss, Berlin and Rampa Istanbul
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Ayse Erkmen, Plan B, 2011. Installation at the Pavilion of Turkey, 54th Biennale di Venezia. Photo Roman Mensing / artdoc.de. Courtesy Galerie Barbara Weiss, Berlin and Rampa Istanbul
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Ayse Erkmen, Plan B, 2011. Installation at the Pavilion of Turkey, 54th Biennale di Venezia. Photo Roman Mensing / artdoc.de. Courtesy Galerie Barbara Weiss, Berlin and Rampa Istanbul
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Ayse Erkmen, 2001, Shipped Ships. Deutsche Bank AG art series: Moment. Photo Bärbel Högner. Courtesy Ayse Erkmen / Galerie Barbara Weiss, Berlin
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Ayse Erkmen, Sculptures on Air, 1997. Skulpturprojekte Münster 1997
Photo: Ayse Erkmen. Courtesy Galerie Barbara Weiss, Berlin
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Ayse Erkmen The Gap, 2006. Kontracom 06, Contemporary Festival Salzburg. Photo: Ayse Erkmen. Courtesy Galerie Barbara Weiss, Berlin
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Ayse Erkmen The Gap, 2006. Kontracom 06, Contemporary Festival Salzburg. Photo: Ayse Erkmen. Courtesy Galerie Barbara Weiss, Berlin
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Das Café im Arsenale ist brechend voll am zweiten Pressetag der 54. Biennale von Venedig. Ein dünnes Mädchen im silbernen Minikleid stöckelt auf ungefähr 20 cm hohen Plateaupumps vor uns her, während Ayse Erkmen und ich einen Platz suchen, um uns über Plan B, ihren Beitrag für den Türkischen Pavillon, zu unterhalten. Am faszinierendsten an diesem sowieso schon faszinierenden Aufzug des Mädchens ist der hohe steife Kragen, den sie sich als Accessoire umgelegt hat. Journalistinnen sehen nicht so aus. Und Künstlerinnen ebenfalls nicht. Aber die Töchter von Sammlern oder Sammlerinnen, von Galeristen oder Galeristinnen treten schon mal in so einem Look auf. Die Biennale-Besucher zu betrachten kann ein ausgesprochen frivoles Vergnügen sein, das unbedingt zum Genuss des großen internationalen Kunstevents gehört. Das Mädchen und ihre Begleiterin finden einen Tisch, uns bleiben nur zwei einsame Stühle.
Wie schafft sie es, frage ich Ayse Erkmen, uns immer wieder mit Arbeiten von stupendem Einfallsreichtum zu überraschen? Eher ein Kompliment als eine Frage, aber irgendwie muss ich ihr als Erstes sagen, wie sehr mich ihr Plan B künstlerisch überzeugt hat. Die Arbeit besteht aus einer Wasseraufbereitungsanlage, wie sie das Technische Hilfswerk in Krisengebiete bringt. Anders als dort tritt die Konstruktion in Venedig allerdings als modernistische Skulptur auf. Denn Ayse Erkmen hat das System aus Wassertank, Ultrafiltration und Pumpen durch meterlange, lila, rote, grüne und türkisfarbene Rohre verbunden und auf Raumgröße ausgedehnt. Aus dem Kanal vor dem Pavillon saugt die Anlage Brackwasser an, das jede Stunde - aufwändig entsalzt, gereinigt und remineralisiert - wieder in den Kanal zurückfließt.
Wie kam sie auf die Idee zu dieser ebenso unnützen wie großherzigen Aktion? "Es war der Raum, der mich darauf brachte. Der Türkische Pavillon ist der einzige Raum im Arsenale, der große Fenster zum Kanal hat. Und weil ich aus Istanbul stamme, einer Stadt, die ebenso so sehr vom Wasser bestimmt ist wie Venedig, schien es mir naheliegend, das Wasser vor dem Pavillon zum Ausgangspunkt einer ortsspezifischen Installation zu machen. Wenn ich an einem Ausstellungsort Wasser entdecke, habe ich immer das Gefühl, dass ich mit dem Wasser arbeiten sollte. So war es auch in Frankfurt, als ich in der Reihe Moment, in deren Rahmen die Deutsche Bank Kunstprojekte im öffentlichen Raum initiierte, meine Shipped Ships entwickelte. Der Fluss teilt dort ja die Stadt in zwei Hälften. Ich wollte ihn wieder als Lebensader in das Bewusstsein der Stadt zurückbringen. Deshalb habe ich drei Passagierfähren samt Besatzung aus Venedig, Istanbul und Japan auf Containerschiffen nach Frankfurt verfrachtet, damit sie auf dem Main ihren regulären Fährbetrieb wieder aufnehmen."
Gab es gleich die Vorstellung, das Wasser in den Pavillon zu leiten? "Ja, die hatte ich sofort. Ich wollte, dass mit dem Wasser etwas geschieht, dass es in etwas anderes verwandelt wird. Das kam daher, weil der Raum mit seinen Überresten von Maschinenteilen und elektrischen Geräten sehr nach einer Werkhalle aussah. Der Raum sollte wieder eine Produktionsstätte werden. So kam ich auf die Idee, Trinkwasser herzustellen."
Warum aber heißt dann dieses Projekt Plan B - und was war der Plan A? "Zunächst dachte ich an einen Brunnen, mitten im Raum, aus dem die Besucher hätten trinken und sich erfrischen können. Aber dann erschien mir das doch allzu didaktisch. Plan A hätte die Besucher sicher sehr erfreut. Aber darum geht es in der Kunst nicht. Die Installation sollte keinem Zweck folgen, sie sollte grundlos existieren. Das erschien mir näher an der Idee der Kunst. Im Übrigen habe ich erst letzte Woche in einer Buchhandlung eine Untersuchung zum Thema Nachhaltigkeit gefunden mit dem Titel Plan B."
Die Skulptur im Arsenale baut auf dem Raster der modernen Kunst auf, einer ästhetischen Figur, die sich vom Baukastenprinzip moderner technischer Systeme herleitet und von dort auch ihre Autorität ableitet. War Ayse Erkmen diese Referenz von Anfang deutlich? "Ja und Nein. Die Skulptur ist ja ein funktionierendes System. Das Raster verdankt sich tatsächlich der Notwendigkeit des Systems. Ich habe nichts hinzugefügt."
Aber immerhin doch die Farben? "Da bin ich meinem Instinkt gefolgt. Violett erschien mir eine gute Farbe, das schmutzige, salzige Wasser zu markieren. Nach der ersten Reinigungsstufe läuft es durch rote Rohre. In den grünen Segmenten ist das Wasser schon sauber, man kann es zum Duschen benutzen oder zum Wäschewaschen. Für das Trinkwasser wollte ich nicht einfach eine blaue Leitung haben, ich wollte die Harmonie der Farben aufbrechen, so kam ich auf das Türkis."
Inzwischen könnten wir uns einen Tisch erobern. Aus dem Augenwinkel beobachte ich, wie das silbernfarbene Mädchen und ihre Freundin ihren Platz räumen. Aber der Aufwand, sich jetzt, mitten im Gespräch umzusetzen, erscheint zu hoch. Doch jetzt fallen mir die vielen Leute auf, die mit der Tasche des Türkischen Pavillons durch das Café schlendern. Sie ist offensichtlich die am heißesten begehrte Trophäe. Der aus naturfarbenem Baumwollstoff gefertigte, extragroße Beutel wurde von Konstantin Grcic, einem der einflussreichsten zeitgenössischen Industriedesigner, gestaltet. Er hat der Tasche einen grellgelben Boden aus einem schweren, gummierten Material verpasst, wodurch sie nicht nur auffällt, sondern überhaupt gut fällt, selbst wenn man nur wenige Dinge hineinpackt. Gleichzeitig erhöht der Boden die Haltbarkeit der Tasche, wenn sie, wie auf der Biennale eher üblich, kiloweise Informationsmaterial aufnehmen muss.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Konstantin Grcic? "Das hing mit der Aufgabe zusammen. Jedes Land und jeder Künstler hat hier eine Tasche, um die Kataloge unterzubringen. Ich wollte etwas Besonderes haben. Wenn schon eine Tasche, dann soll sie auch Teil der Ausstellung sein. Ich dachte an Konstantin Grcic, weil ich ihn kenne und weil ich wusste, dass er immer brillante Ideen für funktionale Objekte entwickelt - und dazu hat er schon alles Mögliche entworfen, nur noch keine Tasche."
Eine Wasseraufbereitungsanlage ist da natürlich noch einmal eine andere Herausforderung. Wie lange hat es gedauert, sie herzuschaffen und aufzubauen? "Zunächst habe ich gemeinsam mit einem Architekten und Ingenieuren recherchiert, welche Anlage ich überhaupt brauche und woher ich sie bekomme. Jetzt stammen alle Komponenten aus Deutschland, von einer Firma in Celle. Dort hat diese Firma extra einen Raum von der Größe des Pavillons gemietet, um die Anlage exakt so aufzubauen zu können wie in Venedig und um zu testen, ob sie funktioniert. Erst danach wurde sie auf einen kleinen Lastwagen gepackt und nach Venedig transportiert. Hier haben wir die Anlage dann in zehn Tagen installiert. Als dann doch etwas nicht richtig lief, hat sich der Chef der Firma mit einem Ingenieur in das Auto gesetzt. Sie sind in sechzehn Stunden nach Venedig gefahren und haben dann zehn Stunden an dem System gearbeitet, bevor sie ins Hotel gingen, um endlich zu schlafen."
Das Kanalwasser, das jetzt im Türkischen Pavillon aufbereitet wird, muss, da bin ich mir sicher, doch sehr schmutzig sein? "Nein. So merkwürdig es erscheint. Ich dachte auch, es wäre fürchterlich verschmutzt. Aber die Ingenieure haben mir gesagt, das sei nicht der Fall, es sei zum Beispiel völlig frei von Schwermetallen. Die Anlage kann in einer Stunde 2000 Liter Wasser reinigen. Es ist eine große Anlage, die ich nur gemietet habe. Sie muss nach der Biennale selbstverständlich wieder ihrem eigentlichen Zweck dienen, in Katastrophengebieten hygienisches Wasser bereit zu stellen. Bevor sie für die Biennale ausgelegt wurde, arbeitete sie in einer Wurstfabrik in Deutschland, deren Produktion durch eine Überschwemmung gefährdet war. Die Anlage ist nicht für sechs Monate gemacht sondern für Hunderte von Jahren, wie die Ingenieure mir sagten."
Ayse Erkmen: Plan B
54. Biennale in Venedig
04.06. - 27.11.2011
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