Joan Young, Director, Curatorial Affairs. Photo: Lina Bertucci. © The Solomon R. Guggenheim Foundation, New York
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Objects being collected for „Sandstars“ (2012) on Isla Arena, Baja California, Mexico. © Gabriel Orozco 2012
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Objects being collected for „Sandstars“ (2012) on Isla Arena, Baja California, Mexico. © Gabriel Orozco 2012
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Objects being collected for „Sandstars“ (2012) on Isla Arena, Baja California, Mexico. © Gabriel Orozco 2012
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Gabriel Orozco, Mobile Matrix, 2006. Graphite on gray whale skeleton, Installation view at Biblioteca Vasconcelos, Mexico City, 2006. Courtesy of the artist and Marian Goodman Gallery, New York
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Object from „Astroturf Constellation“ (2012) found on Pier 40 Recreation Fields, Hudson River Park, New York. © Gabriel Orozco 2012
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Detail of photographic grid from“ Astroturf Constellation“ (2012). © Gabriel Orozco 2012
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Objects being collected for „Sandstars“ (2012) on Isla Arena, Baja California, Mexico. © Gabriel Orozco 2012
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Objects being collected for „Sandstars“ (2012) on Isla Arena, Baja California, Mexico. © Gabriel Orozco 2012
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Objects being collected for „Sandstars“ (2012) on Isla Arena, Baja California, Mexico. © Gabriel Orozco 2012
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Objects being collected for „Sandstars“ (2012) on Isla Arena, Baja California, Mexico. © Gabriel Orozco 2012
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Achim Drucks: Er lebt in Mexiko, Frankreich und den USA, realisiert seine Projekte auf der ganzen Welt. Ist Gabriel Orozco der Inbegriff des nomadischen Gegenwartskünstlers?
Joan Young:
Diese Beschreibung trifft es ganz gut. Wo immer er sich auch aufhält –
Orozco ist ein äußerst scharfer Beobachter und diese Beobachtungen
teilt er dann mit dem Publikum.
Wie würden Sie Orozcos Bedeutung für die aktuelle Kunstszene beschreiben?
Ich
denke, er beeinflusst die aktuelle Kunst vor allem durch die Vielzahl
der Medien mit denen er arbeitet. Sein künstlerisches Werk ist sehr
offen und reagiert auf die ganz unterschiedlichen Umgebungen, in denen
er sich aufhält. Hinzu kommen die spielerischen Ansätze seiner
Arbeiten. Dabei hat er nicht nur die Kunstszene in Mexiko-Stadt
geprägt. Er hat wirklich weltweiten Einfluss.
Gemeinsam mit Nancy Spector kuratieren Sie Orozcos Ausstellung im Deutsche Guggenheim. Wie kam es zu diesem Projekt?
Schon seit langem hat sich das Guggenheim Museum für Orozco interessiert und einige seiner Fotoarbeiten
gesammelt. Die Reihe der Auftragsarbeiten für das Deutsche Guggenheim
bot uns schon häufiger die Möglichkeit, mit Künstlern
zusammenzuarbeiten, die uns interessiert haben oder mit denen wir
unsere Zusammenarbeit vertiefen wollten. So wendeten wir uns an Gabriel
Orozco und fragten ihn, ob er interessiert wäre, und das war er dann
auch. Es hat einige Zeit gedauert, ein Projekt zu entwickeln, das auf
den Ausstellungsraum eingeht und zugleich dem aktuellen Stand seiner
Arbeit entspricht. Für Berlin hat er neue Arbeiten geschaffen, die sich
jedoch stark auf sein bisheriges Werk beziehen.
Orozcos
Auftragsarbeit für das Deutsche Guggenheim bezieht sich auf die Isla
Arena vor Mexiko. Welche Bedeutung hat die Insel für den Künstler?
Die
Auftragsarbeit besteht ja aus zwei Teilen, die beide fast gleichzeitig
entstanden. Einer beschäftigt sich mit New York, der andere mit Isla
Arena. In New York geht Orozco öfter in einen Freizeitpark, der ganz in
der Nähe seines Hauses liegt, um dort Fußball zu spielen oder seinen
Bumerang zu werfen, das ist eines seiner Hobbys. Dabei fielen ihm die
vielen kleinen Dinge auf, die die Besucher dort zurücklassen und er
begann sie zu sammeln. Auf Isla Arena ist er bereits früher gewesen.
Hier hat er auch das Walskelett gefunden, auf dem seine Arbeit Mobile Matrix (2006) basiert, die heute in der Biblioteca Vasconcelos
in Mexiko-Stadt zu sehen ist. Bei dieser Insel handelt es sich im
Grunde um eine Sandbank in einer Bucht. Grauwale kommen dorthin, um
sich zu paaren, ihre Jungen zur Welt zu bringen und manchmal kehren sie
auch zum Sterben in diese Bucht zurück. Sie ist ein nationales
Schutzgebiet, das nicht öffentlich zugänglich ist. Deshalb durfte
Orozco die Insel nur mit einer offiziellen Genehmigung betreten.
Während der Suche nach dem Walskelett fielen ihm die Massen von
Abfällen und Schutt auf dem Strand auf. Seine Funde von dem New Yorker
Spielfeld erinnerten ihn daran und so kehrte er auf die Insel zurück,
um dort Treibgut zu sammeln.
Bei “Sandstars”, eine der beiden
skulpturalen Arbeiten in der Ausstellung, handelt es sich um ein
teppichartiges Arrangement aus den Dingen, die er dort gefunden hat.
Die Glasflaschen, Schwimmer von Fischernetzen und Steine sind nach
Material, Farbe oder Größe angeordnet. Diese Typologie lässt an einen
Archäologen denken, der seine Funde präsentiert. Könnte man Orozco als
eine Art Archäologen der Gegenwart bezeichnen?
Ich glaube,
dass er das bei seiner Beschäftigung mit diesen Gegenständen im Kopf
hatte. Er dachte darüber nach, wie sich Wissenschaftler ihren
Materialien nähern und sie präsentieren oder wie Informationen geordnet
werden. Er erkannte, dass all diese Ordnungssysteme in gewissem Maße
subjektiv und persönlich sind. Orozco erforscht wie Informationen
übermittelt werden, allerdings in seiner ganz persönlichen Sprache.
Wenn
man die Fundstücke ansieht, denkt man unweigerlich an die Folgen von
Umweltverschmutzung. Zugleich besitzen zumindest einige dieser Objekte
einen großen ästhetischen Reiz. Wie wichtig sind Themen wie das
Verhältnis zwischen Natur und Zivilisation, Alltäglichem und Poetischem
für Orozcos Werk? Das sind zentrale Themen, die
sein gesamtes Oeuvre durchziehen. Er fängt das Poetische und das
Alltägliche ein, vor allem in seinen fotografischen Arbeiten. Häufig
zeigen sie sozusagen zufällig entstandene Skulpturen, auf die er im
Alltag stößt und die er dann festhält. Eigentlich könnte man denken, er
zeigt ganz einfach seine Funde. Aber durch die Anordnungen, die er
schafft, offenbaren sich die Schönheit, Einzigartigkeit und die
außergewöhnlichen Eigenschaften dieser Objekte. Diesen
“skulpturalen Teppich” ergänzen in Rastern angeordnete Fotografien, die
er in seinem Studio aufgenommen hat. Welche Rolle spielen diese
Arbeiten für die Installation? Die Fotografien
betonen noch einmal den wissenschaftlichen Ansatz, mit dem Orozco sich
seinen Fundstücken nähert. Jedes Objekt wird einzeln, im selben Format
und unter denselben Bedingungen aufgenommen. So kann man jedes Objekt
für sich betrachten. Sie werden auf gewisse Weise einander angeglichen,
denn er vergrößert oder verkleinert sie auf etwa dasselbe Maß. Das
ermöglicht dem Betrachter, ein ganz anderes Verhältnis zu diesem
Gegenstand zu entwickeln. Es ist wirklich interessant, wenn man diese
beiden Projekte vergleicht: Astroturf Constellation, die New
Yorker Arbeit, setzt sich aus all diesen winzigen Bruchstücken
zusammen, die auf den Fotografien vergrößert werden. Dadurch vollzieht
sich ein Maßstabswechsel. Bei Sandstars verhält es sich genau
anders herum, hier werden die Gegenstände verkleinert. Durch diese
fotografische Angleichung werden die Bezüge zwischen den Objekten in
beiden Projekten deutlich. Es gibt da diese Verschiebung zwischen Mikro
und Makro, zwischen ganzen, vollständigen Objekten und den
Bruchstücken. Es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen beiden Arbeiten.
So fällt auf, dass trotz der völlig verschiedenen Fundorte bestimmte
Farben, Formen und Materialien vorherrschen. Das lässt einen schon über
die materielle Welt nachdenken, in der wir leben. Welche Rolle spielt die Fotografie generell in Orozcos Werk? Sie
veranschaulicht am besten seine Sichtweise auf die Welt, die auch all
seine anderen Arbeiten prägt. Sie ist mehr als nur ein Werkzeug, um
etwas festzuhalten. Sie kann deine Perspektive verändern, jene Dinge
beleuchten, die man sonst übersehen oder an denen man achtlos vorbei
gehen würde.
Wie etwa den Hund, der auf einer seiner bekanntesten Fotoarbeiten, „Sleeping Dog“ (1990), zu sehen ist.
Genau.
Viele seiner Fotografien wirken sehr ruhig und scheinbar einfach. Sie
fordern uns dazu auf, seine Skulpturen und anderen Werke mit einer
ähnlichen Sorgfalt und Ruhe anzuschauen, so dass einem deren
spezifische Formen und Oberflächen bewusst warden.
Wenn man an den Titel der Ausstellung „Asterisms“ denkt, scheint es bei diesen Projekten auch eine kosmische Dimension zu geben. Sie
bestehen aus einzelnen Objekten, die man auf eine ähnliche Weise
gedanklich miteinander verbinden kann wie die Sterne im Himmel. Orozco
sammelt diese Materialien, in denen der Besucher bestimmte
Konstellationen erkennen kann, so als wären sie Sternenbilder. Es gibt
unzählige Sterne. Und vielleicht kann man diese Kunstwerke als eine Art
Metapher für die unendliche Menge von Gegenständen und Materialien in
der Welt sehen, die uns umgibt.
Gabriel Orozco: Asterisms 06.07. - 21.10.2012 Deutsche Guggenheim, Berlin
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