Jeff Koons, Photo: Chris Fanning © Jeff Koons
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Jeff Koons, Lips, 2000. From Easyfun-Ethereal. Courtesy Gagosian Gallery. © Jeff Koons
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Jeff Koons, Antiquity 3, 2011. From Antiquity. Courtesy Fundación Almine y Bernard Ruiz-Picasso para el Arte. © Jeff Koons
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Jeff Koons, New Shop-Vac Wet/Dry, 1980. From The New. Courtesy Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Sammlung Marx. © Jeff Koons
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Jeff Koons, Michael Jackson and Bubbles, 1988. From Banality. © Jeff Koons
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Woman in Tub (Jeff Koons, 1988) in front of The Assumption of Mary (Andrea della Robbia, ca 1500)
at Liebieghaus (Simulation). © Jeff Koons. Photo: Markus Tretter
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Jeff Koons, Titti Tire, 2003. From Popeye. Private Collection, New York. © Jeff Koons
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Jeff Koons, Popeye Train (Crab), 2008. Popeye. Private Collection. Courtesy Gagosian Gallery. © Jeff Koons. Photo: Rob McKeever
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Jeff Koons, Ushering in Banality, 1988. From Banality. © Jeff Koons
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Jeff Koons, Rabbit, 1986. From Statuary. © Jeff Koons. The Eli and Edythe L. Broad Collection, Los Angeles
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Jeff Koons, Bourgeois Bust - Jeff and Ilona, 1991. From Made in Heaven. © Jeff Koons
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Makellos, erhaben, banal – das Oeuvre von Jeff Koons
ist ein faszinierender Mix aus Kunstgeschichte, Pop- und Alltagskultur.
Seit den Anfängen seiner Karriere sorgt er für heftige Debatten.
Produziert der 1955 geborene Amerikaner in seiner Kunstfabrik mit einer
Heerschar von Mitarbeitern monumentalen Kitsch für Sammler mit zu viel
Geld? Oder ist er der legitime Nachfolger von Andy Warhol? Ein Künstler, der wie kaum ein anderer private wie gesellschaftliche Sehnsüchte und Obsessionen in Bilder bannt?
In Frankfurt kann man sich jetzt sein eigenes Urteil zu Jeff Koons bilden. Gemeinsam widmen ihm die Schirn und das Liebighaus eine Doppelschau,
in der sich die gesamte Entwicklung seines Werkes nachvollziehen lässt.
Die Retrospektive beginnt mit den frühen, unterkühlten
Staubsauger-Ready-Mades und endet bei der neuen, noch nie gezeigten
Werkgruppe Antiquity – Koons‘ Auseinandersetzung mit einem
zentralen Thema der antiken Kunst, dem Eros. Vor gestisch anmutenden
Farbfeldern begegnen sich römische Skulpturen und auf Plastikdelfinen
reitende Pin-Up-Girls. Solch freischwebende Kompositionselemente
kennzeichnen bereits seine Gemäldeserie Easyfun-Ethereal, die er 2000 als Auftragsarbeit für das Deutsche Guggenheim
realisierte: Gierig schnappen lasziv geöffnete Lippen nach prallgelben
Maiskörnern. Saft-Fontänen und Haarsträhnen wuchern vor einem
knallblauen Himmel. Auf den großformatigen, von den
Hochglanzoberflächen der Werbung inspirierten Leinwänden verbinden sich
Fragmente von Waren und Körpern zu surrealen Produktlandschaften.
Auch Koons‘ ikonisches Edelstahlkaninchen ist in Frankfurt zu sehen, ebenso wie Arbeiten aus der Serie Made in Heaven, die 1991 für einen Skandal sorgte. Gemeinsam mit seiner späteren Frau, der politischen Aktivistin und Pornodarstellerin Cicciolina,
ließ sich Koons von Holzschnitzern aus Oberammergau oder Glaskünstlern
aus Murano in der Manier barocker Skulpturen nachbilden – allerdings in
pornografischen Posen. Das führte nicht nur zu Forderungen nach Zensur,
sondern katapultierte ihn schlagartig ins Bewusstsein des
Massenpublikums.
Unter dem Titel Jeff Koons. The Painter
zeigt die Schirn rund 40 seiner Gemälde, während das Liebighaus rund 50
seiner Skulpturen im Dialog mit Werken aus der Museumssammlung
präsentiert. Hier trifft Koons' aus Porzellan gefertigter Michael Jackson in Begleitung seines Lieblingsaffen Bubbles auf ägyptische Götterfiguren. Die ebenfalls aus der 1988 entstandenen Serie Banality stammende Skulptur Woman in Tub wird mit einem farbig glasierten Terrakottaaltar von Andrea della Robbia
kombiniert. Das passt nicht nur auf Grund der blau-weißen Farbigkeit.
Die Werkstatt Della Robbia fertigte ihre Heiligen- und Marienbilder in
großem Stil für ganz Europa, als Vorläufer heutiger „Kunstfabriken“ wie
die von Hirst, Reyle oder eben Koons.
Nahezu die gesamte
Galeriefläche der Schirn ist den Gemälden gewidmet. Lässt Koons für die
Serie Equilibrium (1985) noch Nike-Werbeposter schlicht und einfach
rahmen, entstehen für Luxury and Degradation (1986) die ersten
Arbeiten auf Leinwand. Die Öldrucke zeigen erneut Reklamen, diesmal
allerdings für Spirituosen. Von diesen vergleichsweise schlichten
Anfängen haben sich seine Gemälde mittlerweile zu hybriden
Kompositionen entwickelt, auf denen sich eine Vielzahl von Motiven
überlagert. Am Computer generiert und dann auf Leinwand übertragenen,
sind sie von atemberaubender Perfektion. Der hohe
Produktionsstandard seiner Skulpturen und Gemälde, die daraus
resultierende Makellosigkeit trägt wesentlich zur Wirkung der Arbeiten
bei: „Der Betrachter muss dem Objekt vertrauen“, erklärte Koons dazu in
einem Interview für ArtMag. „Als ich jünger war, besuchten wir eine
Gießerei und dort haben sie der Rückseite nie so viel Aufmerksamkeit
geschenkt wie der Vorderseite. Das habe ich nie verstanden. Dadurch
verliere ich Vertrauen. Ein Objekt ist ein abstrakter Gedanke, der zu
Lebensenergie transformiert wird.“ Und wenn das Objekt keinen Makel
aufweist, „befindet es sich in einem höheren Bewusstseinszustand.“ Ob
man diesen Zustand auch beim Betrachten von Koons‘ Werken erreichen
kann, sollte man jetzt in Frankfurt überprüfen. Es lohnt sich. A.D.
Jeff Koons 20. Juni – 23. September 2012. Schirn & Liebighaus, Frankfurt am Main
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