Asterisms Gabriel Orozcos Auftragsarbeit für das Deutsche Guggenheim
Tausende
von Gegenständen hat Gabriel Orozco gesammelt, um sein Projekt
„Asterisms“ zu realisieren. Fundstücke vom Strand eines
Naturschutzgebiets in Mexiko und von einem New Yorker Sportplatz stehen
im Zentrum dieser 18. Auftragsarbeit für das Deutsche Guggenheim.
Orozco ordnet die Objekte zu komplexen Installationen, die sich
gleichermaßen als Zivilisationskritik und poetische Topographie lesen
lassen.
Gabriel Orozco: Asterisms im Deutsche Guggenheim Berlin
Selbst der Himmel ist heute genauestens geordnet. Die Internationale Astronomische Union
(IAU) hat die Sternbildgrenzen nach fixen Koordinaten festgelegt. Doch
dann sind da noch die “Asterismen“ – Sternenbilder, die nicht an diese
wissenschaftlichen Kriterien gebunden sind. Es handelt sich um
Sternenkonstellation, die, durch Verbindungslinien verknüpft, ein
auffälliges Bild, etwa einen Gegenstand oder eine Figur, ergeben. Ob
unsere historischen Sternbilder oder die der Maya – sie alle beruhen
auf Asterismen. Diese Figuren am Himmel sind subjektive Projektionen:
unterschiedliche Kulturen sehen unterschiedliche Bilder. Asterisms, der Titel von Gabriel Orozcos Installation im Deutsche Guggenheim,
thematisiert dieses menschliche Bedürfnis, Ordnungen in der Welt zu
schaffen, und Bedeutungen in vorgefundenen Konstellationen zu erkennen.
Asterisms
wurde als achtzehntes Projekt in der Reihe von Auftragsarbeiten für die
Berliner Ausstellungshalle realisiert. Für dieses Werk hat der 1962 in
Mexiko geborene Künstler Tausende von Gegenständen gesammelt. Fündig
wurde er dabei an zwei ganz unterschiedlichen Orten: Aus dem Kunstrasen
eines Sportplatzes nahe seiner Wohnung in New York förderte er
unzählige winzige Segmente, wie Verschlüsse, Plastik- und Kaugummireste
hervor. Und an der Küste des Biosphärenreservates in Baja
California/Mexiko sammelte er den Zivilisationsmüll, der selbst in
diesem geschützten Refugium angeschwemmt wird, etwa Plastikbojen,
Schutzhelme, Glasflaschen. Auf dem Fußboden ausgebreitet und geordnet
bildet das Strandgut, beinahe 1200 Fundstücke, einen monumentalen
Objekt-Teppich. Diese Sandstars betitelte Installation
ergänzen zwölf großformatigen Fotografien, auf denen Orozco die
typologisch nach Material, Farbe und Größe sortierten Objekte im Studio
aufgenommen hat. Eine weitere Fotoarbeit zeigt im gleichen gerasterten
Anordnungsprinzip die Landschaft, aus der die Fundstücke stammen, und
eher beiläufig wirkende, vor Ort aus dem Strandgut entstandene Objekte.
Auch Astroturf Constellation,
die zweite Arbeit der Ausstellung, erkundet solche Ordnungsmuster.
Allerdings haben die Objekte hier einen völlig anderen Maßstab: So
besteht das Werk aus einer Ansammlung von sehr kleinteiligem Abfall,
den Sportler und Zuschauer auf dem Kunstrasen, dem sogenannten
„Astroturf“ eines Sportplatzes am Pier 40 in New York, zurückgelassen
haben. Orozco präsentiert diese Gegenstände – wiederum fast 1200 – auf
einem großen Podest. „Es ist wirklich interessant, wenn man diese
beiden Projekte vergleicht“, erklärt Joan Young, Director of Curatorial Affairs am New Yorker Guggenheim Museum, die das Ausstellungsprojekt gemeinsam mit Nancy Spector kuratiert hat, im Interview mit ArtMag. „Astroturf Constellation,
die New Yorker Arbeit, setzt sich aus all diesen winzigen Bruchstücken
zusammen, die auf den Fotografien vergrößert werden. Dadurch vollzieht
sich ein Maßstabswechsel. Bei Sandstars verhält es sich
genau anders herum, hier werden die Gegenstände verkleinert. Durch
diese fotografische Angleichung werden die Bezüge zwischen den Objekten
in beiden Projekten deutlich. Es gibt da diese Verschiebung zwischen
Mikro und Makro, zwischen ganzen, vollständigen Objekten und den
Bruchstücken.“ Asterisms stellt diese zwei umfassenden
Installationen, die zwischen Makro- und Mikroebene oszillieren,
einander gegenüber. Dabei greift das Ausstellungsprojekt einige für
Orozcos Werk typische Themen auf: poetische Begegnungen mit
alltäglichen Materialien, die Präsenz von Erosionsspuren und die stets
gegenwärtige Spannung zwischen Natur und Kultur.
Gabriel Orozco: Asterisms 06.07. - 21.10.2012 Deutsche Guggenheim, Berlin