Pigmente, Wachs, Stahl Anish Kapoor im MCA in Sydney
Anish
Kapoors Skulpturen zählen zu den weltweit bekanntesten
Kunstwerken – dank ihrer visuellen Kraft und emotionalen Wirkung.
Erstmals in Australien präsentiert jetzt das Museum of Contemporary Art
in Sydney eine ambitionierte Werkschau des britisch-indischen
Künstlers. Gefördert wird das Projekt von der Deutschen Bank, die sich
seit mehr als zehn Jahren für das MCA engagiert. Zu den Highlights der
Ausstellung zählt auch „Memory“ – eine gigantische, aus 154
Stahlplatten zusammengesetzte Skulptur, die Kapoor als Auftragsarbeit
für das Deutsche Guggenheim realisiert hat.
Anish Kapoor in front of his sculpture "Memory", Deutsche Guggenheim, Berlin, 2009. Photo: Mathias Schormann. © Deutsche Guggenheim Berlin
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Anish Kapoor, Memory, 2008. Installation view, Deutsche Guggenheim, Berlin, 2009. Courtesy the artist and Deutsche Guggenheim. © the artist. Photograph: Mathias Schormann
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Anish Kapoor, Memory, 2008. Installation view, Deutsche Guggenheim, Berlin, 2009. Courtesy the artist and Deutsche Guggenheim. © the artist. Photograph: Mathias Schormann
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Anish Kapoor, S-Curve, 2006. Image courtesy the artist and Regen Projects. © the artist. Photograph: Joshua White, Los Angeles
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Anish Kapoor, My Red Homeland, 2003. Installation view, Kunsthaus Bregenz, 2003. Image courtesy and © the artist. Photograph: Nic Tenwiggenhorn
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Anish Kapoor, Void, 1989. Image courtesy and © the artist. Photograph: Dave Morgan
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Anish Kapoor, Void, 1989. Image courtesy and © the artist. Photograph: Dave Morgan
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Anish Kapoor, 1000 Names, 1979-80. Image courtesy and © the artist
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Seine verspiegelte Edelstahlskulptur Cloud Gate (2006) im Millennium Park in Chicago wiegt ganze 110 Tonnen. In der Turbinenhalle der Tate Modern installierte er 2002 eine 155 Meter lange und 35 Meter hohe, blutrote Membran; im Grand Palais folgte 2011 eine mit 72.000 Kubikmetern Luft gefüllte, begehbare PVC-Struktur. Sein bislang monumentalstes Projekt realisierte Anish Kapoor für die diesjährige Londoner Sommerolympiade: den ArcelorMittal Orbit.
Der Hybrid aus Skulptur und Aussichtsplattform besteht aus 1.400 Tonnen
feuerrotem Stahl, die sich in Form verschlungener, DNA-artiger Stränge
115 Meter hoch in den Himmel winden. Kapoors Hang zur Überwältigung
durch schiere Größe ist allerdings einigen Kritikern suspekt. Doch die
damit verbundene physische Präsenz seiner Arbeiten ist für ihre Wirkung
unerlässlich. "Größe ist etwas verpönt", erklärte der Künstler in einem
Interview mit ArtMag, "aber sie ist ein ganz wesentliches Mittel, um mit dem Raum umzugehen.“
Memory (2008), Kapoors Auftragsarbeit für das Deutsche Guggenheim,
zählt zu seinen aufwendigsten Skulpturen. Nahtlos fügen sich 154 aus
Cor-Ten Stahl gefertigte Elemente zu einer organisch-technoiden Form.
24 Tonnen ist die 2008 als Auftragsarbeit für das Deutsche Guggenheim
entstandene Skulptur schwer, doch wirkt sie auf verblüffende Weise
"immateriell". Das riesige rostfarbene Objekt scheint der Schwerkraft
zu trotzen und berührt nur ganz leicht die Grenzen des Raums –
Wände, Boden und Decke. Mehr noch, die Arbeit des „Turner Preis“-Trägers bringt den Betrachter dazu, selbst aktiv zu werden, denn es gilt, sich Memory
aus verschiedenen räumlichen Perspektiven zu nähern. Der Künstler
beschreibt diesen Prozess als "Diagramm, das nie vollendet werden kann".
Nach einem Gastspiel im New Yorker Guggenheim Museum ist Memory jetzt im Rahmen der ersten großen Kapoor-Schau in Australien zu sehen. Auf zwei Etagen gibt das Museum of Contemporary Art
(MCA) in Sydney einen Überblick über die Karriere des 1956 in Mumbai
geborenen Künstlers, der seit den frühen 1970ern in London lebt.
Gefördert wird die Schau von der Deutschen Bank,
die seit langem mit dem Künstler und dem Museum verbunden ist. Die
Deutsche Bank kooperiert seit über einer Dekade mit dem MCA. So fördert
sie als Education Partner das engagierte Kinder- und Jugendprogramm des
Museums. Neben zahlreichen Arbeiten auf Papier ist Kapoor neben Memory auch mit einer weiteren bedeutenden Skulptur in der Sammlung Deutsche Bank vertreten: Turning the World Upside Down (1996), einer seiner ersten Edelstahlarbeiten.
Zusammen mit Tony Cragg, Barry Flanagan und Rachel Whiteread
zählt Kapoor zu den Künstlern, die Anfang der 1980er die britische
Bildhauerei radikal erneuerten – etwa mit der Verwendung neuer
Materialien wie Kunststoffen und Pigmenten. Aus dieser Zeit ist im
MCA 1000 Names (1979–80) zu sehen. Die „Pigment-Skulpturen“
entstanden nach einer Reise in sein Geburtsland Indien. Die Werkgruppe
besteht aus geometrisch oder organisch geformten Holzobjekten, die auf
dem Boden oder an der Wand installiert werden. Kapoor hat sie mit
intensiv leuchtendem Puder aus Pigmenten überzogen, der sich teilweise
von den Oberflächen löst und die Objekte wie eine Art Farb-Aura umgibt.
Auch bei Void (1989) arbeitet der er mit Pigmenten. Die mit
dunkelblauem Farbpuder überzogene Form spielt mit unserer Wahrnehmung:
je nach Standpunkt erscheint sie konvex oder konkav. Der Blick verliert
sich in dem tiefen Blau und es scheint nicht möglich, die reale
Dimension und Form der Arbeit zu erfassen.
Ein weiterer Höhepunkt der Ausstellung ist My Red Homeland
(2003). 25 Tonnen Wachs und Vaseline formen sich zu einer runden
Bodenskulptur von 12 Meter Durchmesser. Ein großer metallener Arm dreht
sich ganz langsam um die eigene Achse, wühlt dabei die rot eingefärbte
Masse auf und verformt sie immer wieder aufs Neue. Chaos und Ordnung,
Stillstand und Bewegung, Farbe und Materialität verdichten sich hier
für den Betrachter zu einem beeindruckenden Erlebnis. Kapoor eröffnet
Räume, die zugleich physisch als auch metaphysisch sind. Sein Werk lebt
von der Spannung zwischen Form und Formlosigkeit, Materiellem und
Immateriellen. Es ist ebenso faszinierend wie verstörend, entzieht sich
jeder eindeutigen Interpretation. Doch gerade diese rätselhafte
Vieldeutigkeit verleiht ihm seine geradezu spirituelle Qualität.
Anish Kapoor 20. Dezember 2012 -1. April 2013 MCA, Sydney
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