Ways of Seeing Abstraction:
Fabian Marti, Ohne Titel, 2011

Abstraktion, darunter verstehen die meisten Menschen noch immer eine Konzentration auf die Form. Eine Kunststr�mung, mit der �sthetische Ideen, Ordnungen, philosophische Ideen oder innere Gef�hle zum Ausdruck gebracht werden k�nnen – die aber mit der allt�glichen Lebenswirklichkeit nicht viel zu tun hat. Doch gerade in von Krisen gekennzeichneten Zeiten werden auch von der Kunst Relevanz und Dringlichkeit erwartet, eine Aussage zu aktuellen gesellschaftlichen Themen. K�nstlerisches Engagement vermittelt sich dabei heute nicht ausschlie�lich durch klare visuelle Botschaften und Inhalte – sondern immer mehr auch durch die Abstraktion. Gerade f�r j�ngere Generationen ist die gegenstandslose Kunst das Mittel der Wahl, um Politik, Religion oder soziale Fragen zu thematisieren. Mit Werken aus der Sammlung Deutsche Bank unternimmt die Ausstellung „Ways of Seeing Abstraction“ im PalaisPopulaire eine durchaus subjektive Bestandsaufnahme der internationalen Abstraktion von der Nachkriegsmoderne bis in die j�ngste Gegenwart – und dokumentiert die Vielfalt und Diskursivit�t, die sich hinter der Idee der gegenstandslosen, „reinen“ Form verbirgt. Anl�sslich der Schau zeigen wir Ihnen in unserer Serie Arbeiten von K�nstler*innen, die Abstraktion eigenwillig nutzen und auf neue Weise definieren.


Fabian Marti, Ohne Titel, 2011
� Courtesy the artist and Galerie Peter Kilchmann, Zurich. Photo: Sebastian Schaub


Die konzentrischen Kreise auf Fabian Martis Fotogramm entfalten eine geradezu hypnotische Wirkung. Sie verunsichern das Auge, scheinen sich zu bewegen. Wie eine Spirale ziehen sie den Blick in die Tiefe. Spiralen tauchen h�ufig in Martis Werk auf – als Verweis auf kosmische Spiralgalaxien und Naturformen wie Schneckenh�user. Zugleich drehen sich Spiralen in der gesamten Kunst- und Kulturgeschichte: auf steinzeitlichen Keramiken, in Marcel Duchamps Film An�mic cin�ma (1926), den flirrenden Op-Art-Gem�lden der 1960er-Jahre oder in unz�hligen Comics, in denen sie Kontrollverlust oder einen Rausch symbolisieren. Martis Arbeiten gelingt es, diesem unz�hlige Male reproduzierten Motiv auch formal seine urspr�ngliche Kraft zur�ckzugeben.

Dabei kreist sein gesamtes Werk um die Erweiterung des Bewusstseins. Immer wieder spielt es auf Schamanismus, Mystik und die drogeninduzierten psychedelischen Erfahrungen der Hippie-Bewegung an. Daneben finden sich in seinen �beraus dekorativen Fotoarbeiten, Keramiken und Installationen zahlreiche Bez�ge zu Formalismus, Abstraktion und Minimalismus. Marti verbindet die unterschiedlichsten k�nstlerischen Techniken. Arbeitet ebenso selbstverst�ndlich analog wie digital, mit vorgefundenem wie eigenem Material. Er gleicht einem Alchimisten, in dessen Laboratorium verf�hrerische Werke entstehen – als Einladung zu einem Trip in Sph�ren, die sich unserem rationalen Bild der Welt entziehen.